[OBSCENE] – Dramaturgie als Praxen des (Un)Sichtbarmachens

Beiträge einer Tagung der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK)

Von Jochen Kiefer

Corpus veröffentlicht hier sukzessiv Beiträge der Tagung [OBSCENE] – Dramaturgie als Praxen des (Un)Sichtbarmachens, die vom 12.-15.09.2019 an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), Professur für Dramaturgie & Institute for the Performing Arts and Film (IPF) in Zusammenarbeit mit der Gessnerallee Zürich und dem Schauspielhaus Zürich stattgefunden hat, kuratiert von Lucie Tuma, Monika Gysel und Jochen Kiefer.

 

Die Beiträge erscheinen in den ersten oder überarbeiteten Fassungen und folgen damit der dynamischen Dramaturgie der Tagung als eines stetigen Dialogs von Künsten und Wissenschaften, von künstlerischer Forschung und dramaturgischer Praxis. Nach Covid und mit der allmählichen Wiederkehr des Erzählens im Theater sucht Dramaturgie vor allem ungehörte, marginalisierte Erzählungen und Stimmen sichtbar zu machen, sie sucht auch nach Dramaturgie im Theater selbst.

 

Die zahlreichen Tode in den antiken Dramen Griechenlands fanden ob-scenae, also ausserhalb der Szene statt. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass ihnen keine Wichtigkeit zukam. Die Denkfigur des Obszönen als das, was im OFF der Bühnen im konkreten und übertragenen Sinne Wirksamkeit entfaltet, diente der Tagung als zentrales Motiv. Postdramatische (möglicherweise post-dramaturgische) sowie künstlerische Verfahren der Wissensproduktion richten ihr Augenmerk darauf, das Nicht-Gezeigte, das Un-Sichtbare und [AUSGEKLAMMERTE] kenntlich zu machen. Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und mit dem Vordringen der Idee des Performativen auf die Theaterbühnen hat sich das Verständnis von Dramaturgie erheblich gewandelt und pluralisiert. Davon ging [OBSCENE] aus und untersuchte, wo und wie Dramaturgie in der Gegenwart stattfindet als ein Amalgam von Praktiken, Beziehungen und Positionierungen zwischen Menschen, Institutionen, Proberäumen, Aufführungen, Zeiträumen und künstlerischen Verfahren.

 

Die Tagung versammelte Theater- und Tanzschaffende, Studierende, Forschende und die interessierte Öffentlichkeit, um in Vorträgen, Aufführungen und Workshops gemeinsam die Kunst und die Dramaturgien des [OBSCENE] zu entdecken, zu reflektieren und zu feiern.

 

Drei Schwerpunkte [OBSCENE] fokussierten auf drei Implikationen, die dem Moment der Sichtbarmachung bzw. des Versteckens, des Ein- und Ausklammerns, des Nicht-Zeigens und Zeigens und somit einer Dramaturgie des Obszönen inhärent sind: das Ästhetische, das Politische und das Epistemologisch-Philosophische. Damit bezog sich die Tagung auf Diskurse, die im Kontext des Gegenwartstheaters vielfach als reziprok wirkende Zusammenhänge zwischen Arbeitsweisen, ästhetischen Positionen, politischen Implikationen und künstlerisch-forschenden Ansätzen an unterschiedlichen Stellen und Institutionen diskutiert werden. Die Parameter der Sichtbarmachung als performativ wirkende Kräfte dramaturgischer Praxen wurden innerhalb der drei Stränge auf Fragen und Potenziale hinsichtlich spezifisch dekolonialer, feministischer und emanzipatorischer Ansätze untersucht.